Hymne an das natürliche Essen – Bistro Ginkgo von innen
Von Min Busch, Am Wiesensee, den 6. Juni 2021
2 Vegan
Für mich ist der Begriff „vegan“ eine Kategorie zur Zuordnung, wie zum Beispiel eine bestimmte grammatische Regel in einer bestimmten Sprache. Erwachsene lernen eine Fremdsprache oft mit der Vorgehensweise „Grammatik + Vokabeln“, im festen Glauben daran, dass diese Vorgehensweise schneller geht als der Spracherwerb bei einem muttersprachlichen Kind. Doch wer beherrscht die Sprache in der Regel besser? Das muttersprachlich aufgewachsene Kind, oder jemand, der eine Sprache als Erwachsene mit Grammatik + Vokabeln zu erlernen versucht?
Warum ist es so? Ganz einfach, zuerst ist die menschliche Sprache entstanden, erst unzählige Jahre später wurde Grammatik geschaffen. Ergo: Wer mehrere Sprachen gleichzeitig wie eine Muttersprache beherrschen möchte, der soll im Idealfall wie ein Kind vorgehen, nämlich hören und nachsprechen, wiederholen, so lange, bis die Verbindung zwischen Aussprache und Bedeutung im Gehirn sitzt.
Nun, übertragen wir diese Vorgehensweise auf das Kochen:
Ursprünglich waren vor allem Pflanzen, selten Tiere, Quelle unserer Nahrung. Der Begriff „vegan“ als Wortschöpfung wird auf das Jahr 1944 datiert (veg-etari-an -> vegan). Außer in der buddhistischen Küche, die komplett vegan ist, besteht eine chinesische Mahlzeit in der Regel hauptsächlich aus Gemüse. Fleisch oder Fisch werden oft als eine Umami-gebende Komponente in Gemüsegerichte hinzu gegeben. Die Kombination tierischer und pflanzlicher Aminosäuren gibt uns ein phantastisches Gefühl der Glückseligkeit.
Nehmen wir das Beispiel Blumenkohl. Etwas hart, leicht bitter, saugt er gerne den Geschmack von anderen Zutaten auf. Wenn vor mir ein frisch geernteter Blumenkohl auf dem Küchentisch liegt, dann fallen mir zum Beispiel folgende Möglichkeiten ein:
Blumenkohl blanchieren, dann mit japanischer Sojasoße und 100%igem Sesamöl, aus schonend gerösteten Sesamsamen, würzen
Blumenkohl mit sehr wenig Anchovies braten (in Salz & Öl eingelegten Anchovis z.B. Sizilien)
Blumenkohl mit in Sojasoße marinierten Schweineniere braten
Blumenkohl und Brokkoli in Rapsöl braten, mit japanischer Miso-Paste würzen
Blumenkohl mit eingeweichten Shiitake-Pilzen braten, mit Shiitake-Dashi und Salz würzen
Blumenkohl mit in Sake eingeweichten, getrockneten Garnelen in Rapsöl braten, mit Salz würzen
Blumenkohl braten, in selbstgemachter Tomatensoße eindicken, mit Zucker und japanischer Sojasoße abschmecken
…
Diese Liste könnte ich noch weiter ausführen. Bewusst habe ich oben die deutsche Art, Blumenkohl in Wasser zu kochen und als Beilage zu nehmen, weggelassen. Diese Art der Zubereitung schmeckt mir persönlich nicht. Denn sie macht die Stärke des Blumenkohls kaputt, bietet aber keine Vorteile. Meines Erachtens soll am Blumenkohl seine Bissfestigkeit gepaart mit dem leicht bitteren Geschmack hervorgehoben werden. Denn der bittere Geschmack ist sehr interessant und schmackhaft. Blumenkohl mit Brokkoli zusammen in einem Gericht zu kombinieren, basiert genau auf dieser Überlegung. Ein Gericht soll nicht „flach“ schmecken, sondern dreidimensional oder im Idealfall „rund“ schmecken.
Die oben genannten Überlegungen habe ich nur, weil mir auf der einen Seite die Eigenschaften von Blumenkohl vertraut sind und zugleich die Kombinationsmöglichkeiten durch traditionelle chinesische Kochmethoden bekannt sind. Ja, man muss ja das Rad nicht mehrfach erfinden. Mir würde gar nichts einfallen, wenn ich von der strengen Vorgabe, unbedingt mit Blumenkohl „vegan“ kochen zu müssen, ausgehe. Ich würde in Panik geraten und von mir selbst behaupten, dass ich keinen Blumenkohl mag, egal wie man ihn zubereitet.
Doch dreht man den Spieß um und lässt man sich möglichst viele Variationen mit Blumenkohl einfallen, so findet sich leicht ein veganes Blumenkohlrezept für meine sich vegan ernährenden Gäste. Viele Gäste schätzen Gemüse und essen sehr wenig Fleisch, aber nicht unbedingt vegan. Die freuen sich über den einen oder anderen Vorschlag, Gemüse mit Aromen von Fleisch oder Fisch abzuschmecken. So stelle ich oft fest, dass ein Gast sich gerne auf meinen Vorschlag „Blumenkohl mit Anchovis aus Sizilien“ einlässt. Der Fischanteil ist verschwindend gering, gibt dem ganzen Gericht aber ein komplett anderes Aroma.
Diese Vorgehensweise ist bei der Komposition der Speisekarte für Bistro Ginkgo sehr hilfreich. Wir können jederzeit darauf vertrauen, dass wir unendlich viele Ideen haben werden, sie werden uns nie ausgehen. Man muss sie nur zu suchen und zu finden wissen.
An einem Prinzip beim Thema „vegan“ halten wir konsequent fest: Wir kochen natürliches Vegan. Wir nehmen großen Abstand von dem Ansatz, mit Pflanzen Fleisch- oder Fischgerichte nachahmen zu wollen. Vegane Nachahmungen von Fleisch oder Fisch sind in der Regel hochverarbeitete Lebensmittel. Pflanzen sind Pflanzen. Pflanzen haben ihre eigenen Stärken, die ich als Köchin hervorheben möchte. Gelingt mir dies nicht, dann darf ich mich nicht Köchin nennen. Und wenn ich Umami tierischen Ursprungs verwenden möchte, dann nehme ich doch etwas davon, vom Original. Bei mir hat die Vorgabe „natürlich“ einen höheren Stellenwert als „vegan“. Wir bieten eine große Auswahl veganer und vegetarischer Gerichte. Die klassische chinesische Kochmethode, Gemüse mit Fleisch oder Fischaromen zu kombinieren, ermöglicht viele gesunde Geschmackserlebnisse, die wir auch unbedingt anbieten wollen.
Fast hätte ich den Slogan „Bistro Ginkgo. natürlich essen.“ in „Bistro Ginkgo. natürlich vegan.“ umgetauft. Wir sind diesen Schritt nicht gegangen. Wir streben eine ganzheitliche, gesunde und zum persönlichen Glück führende Ernährung mit breiter Zutatenvielfalt auf natürlicher Basis an.
Der Sommer kommt. Wir lieben Gemüse und Obst. Lassen wir uns überraschen von dem natürlichen Umami. Komposition ist unsere Berufung!
Guten Appetit
wünscht Ihnen das Bistro Ginkgo Team
Am Wiesensee, den 6. Juni 2021
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