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11 Castelo de Silves: Der Weg ist das Ziel

Hymne an das natürliche Essen - Bistro Ginkgo von innen


11 Castelo de Silves: Der Weg ist das Ziel


Von Min Busch, Silves, Freitag, den 21. Januar 2022



Seit dem 12. Januar 2022 bewohnen wir ein großes Apartment mit „Self-Catering“ im „Balaia Golf Resort“. An sich ist es höchste Eisenbahn, dass ich nun endlich im Jetzt lebe und nicht nur meinen Tag damit verbringe, Gedanken in die Vergangenheit schweifen zu lassen oder über die Zukunft zu grübeln.


Mein Gehirn sehnte sich heute früh nach einer Gießkanne voll frischem Mineralwasser aus Monchique, mit einem pH Wert von 9,5. Bereits am ersten Tag nach unserer Ankunft in Faro entdeckte ich das natürliche Mineralwasser der Marke „Monchique“, die lilane Farbe auf dem Etikett sprang sofort ins Auge, zusammen mit der Zahl „9.5“. Eine wunderbare Gelegenheit, den Körper über eine längere Zeit zu entsäuern. „Kauf nicht so viel“, hörte ich meinen Mann rufen, „nachher schmeckt uns das Wasser nicht“, meinte er. „Dann trinke ich es eben alleine“, entgegnete ich. Muss das typisch deutsch programmierte Gehirn immer protestieren, verneinen, Widerspruch einlegen, bevor es selbst kapiert, worum es ging? Sind Deutsche generell zum Verneinen geboren und können sie nur durch die Verneinung ihre Identität bewahren und ihre Existenzberechtigung unter Beweis stellen? Kann man nicht etwas Geduld üben, bis die neue Information in der Tat negative Seiten von sich gibt, bei dem das Verneinen einen Sinn macht? Das Mineralwasser schmeckte hervorragend – und seitdem trinken wir alles, was wir kalt trinken, mit diesem Wasser aus Monchique.


Auf Bistro Ginkgos Getränkekarte ist die hausgemachte „Orange-Limette-Ingwer“ Limonade das beliebteste Getränk. Ingwer stärkt das Immunsystem und wärmt Hände und Füße, hilft einem, eine Erkältung oder sogar Fieber loszuwerden, weil man dadurch schwitzt. Dafür zapfe ich im Niederländischen Supermarkt Albert Hein oder Jumbo literweise frischen Orangensaft, schäle alle Ingwerstücke, weil die Schale bitter schmeckt und die Schale die wärmende Wirkung mildert. Limetten nehme ich ganz, reibe die Wachsschicht mit französischem Meeressalz geduldig weg, danach wird die Limette gründlich gewaschen. Alles wird püriert, etwas Zucker als natürlichen Konservierungsstoff hinzugeben, aufkochen, in ein Literglas umfüllen – fertig ist mein Sirup.


Zum Trinken entweder mit Sprudelwasser kalt aufgießen oder im Winter als Limette-Orange-Ingwer Tee heiß genießen. Zu den kalten Wintertagen trinke ich selbst zwei drei Becher von diesem warmen Ingwer Tee, um überhaupt in der eiskalten Küche 10 Stunden stehen zu können. Denn beim Kochen lasse ich sogar die Tür offen stehen, damit der Geruch der Küche möglichst nicht in den Gastraum strömt. Ich selbst kann starken Geruch in einem Gastraum nicht gut leiden: Alles, was beim Hunger duftet, stinkt buchstäblich, sobald das Sättigungsgefühl eingetreten ist. Darum möchte ich unseren eigenen Gastraum möglichst geruchsneutral halten, damit sich der Gast an dem speziellen Aroma eines jeden Gerichtes erfreuen kann.


Hier an der Algarve werden wir reichlich mit Zitrusfrüchten verwöhnt. Überall Orangenhaine, wo der Blick hin schweift, fast in jedem Garten steht ein Zitronenbaum oder ein Orangenbaum. Sie schmücken den Straßenrand mit glänzender Farbpracht. Am Eingang der Gärten wird die eigene Ernte sackweise verkauft: Frisch vom Baum, in unterschiedlichen Größen, oft mit Makel, manchmal werden auch zwei drei verschiedene Sorten gleichzeitig angeboten. Die Oberfläche ist matt, die Frucht selbst manchmal steinhart. Und wenn wir „zu Hause“ die Frucht schälen, spritzen einem zehntaussend Orangen-Aerosolen ins Gesicht, auf die Brille, auf die Hände. Dass alle Finger mit diesem luxuriösen, natürlichen Parfum behandelt werden, sehe ich als einen Teil des Geschenks der Algarve an seine Gäste. So konnte ich mich nicht zurückhalten, den Geschmack der frischen Orangenschale an meinen Fingern zu lecken: Leicht bitter, ja, aber extrem duftig und aromatisch! Das Fruchtfleisch selbst ist deutlich saurer als die Orangen, die wir aus dem deutschen Supermarkt kennen und süßlicher als Zitrone, um genauer zu sagen: Es schmeckt geradezu perfekt süß-sauer.


So kauften wir uns eine schöne Wasserkaraffe und ich mache uns jeden Tag ein kaltes Erfrischungsgetränk: Zitronenscheiben und Orangenscheiben, die etwa 25% des Karaffenvolumens ausmachen, plus Ingwerstreifchen aus frischem, saftigem Bio-Ingwer aus Peru, aufgegossen mit dem pH 9,5 Monchique Mineralwasser. Wir füllen die Karaffe zwei bis drei Mal, lassen sie mehrere Stunden stehen, so dass der Geschmack, duftig, leicht bitter, leicht sauer, und im Hintergrund doch etwas süß, komplett zum Vorschein kommt. Zum Schluss essen wir das Fruchtfleisch auf, auch wenn es fast nur noch nach Wasser schmeckt.


In der chinesischen Medizin ist „陈皮“, wörtlich lang gelagerte (Zitrus-)Schalen, ein wertvolles Medikament, das zur Verdauungsförderung dient und zudem gerne als Gewürz in Schmorgerichten verwendet wird. Für die Briten sind die Orangen-Marmeladen mit verschiedenen Rezepten die echten Marmeladen, und zwar die einzigen, die streng genommen „marmelade“ genannt werden dürfen. Tauscht man die Frucht aus, so heißt es „jam“.


Früher schleppten wir aus Edinburgh immer etliche Orangenmarmeladen nach Hause: Wobei die dunkelste, bitterste, „thick cut orange marmelade“ mein Favorit war. Ja, schön dick sollen die Orangenschalen in der Marmelade sein, und davon möglichst viele. Denn süß pur wäre langweilig, und sogar zu süß, wenn er der einzige dominierende Geschmack der Marmelade bildet. Der bittere Kontrast intensiviert das süße Erlebnis der Zunge. So kam ich auf die Idee, auf unseren Reisen nach Spanien und Portugal meine eigenen Zitrusschalen zu trocknen. Dazu verwende ich naturbelassene Orangen-, Mandarinen- und Zitronenschalen, schneide sie in dünnen Streifchen, und trocknete sie in der warmen Wintersonne. Nach ungefähr zehn Tagen sind sie meistens trocken, werden ziemlich leicht und sind stark geschrumpft. Ideal, um sie im Fluggepäck nach Hause zu transportieren. Zu Hause lagere ich sie in großen Blechdosen bzw. in Papierschachteln, bei Zimmertemperatur, trocken, schattig. Somit halten Jahre, um nicht zu sagen: ewig. Meine ältesten Zitrusschalen stammen aus dem Frühjahr 2014. Zu meiner großen Überraschung sind sie von Jahr zu Jahr immer aromatischer, süßer im Geruch.


Was mache ich damit? Ich stelle mit diesen richtig alten („陈皮“) Orangenschalen meine eigenen Orangenmarmeladen her. Diese Schalen lasse ich über Nacht im frisch gepressten Orangensaft aufweichen, damit sie wieder weich werden, während sie ihren Duft an den Saft abgeben. Der bei Bistro Ginkgo angebotene Nachtisch, hausgemachte Orangenmarmelade auf Joghurt, enthält diese von mir selbst geschnittenen, getrockneten und gelagerten „alten Schalen“. Außerdem hacke ich sie mit einer Küchenmaschine klein und mische sie mit dem schwarzen Tee, so entsteht meine eigene Kreation des „Lady Greys“. Ein klein bisschen getrockneten Schalen verleihen dem „Brei der acht Köstlichkeiten“ (八宝饭) eine besondere Duftnote. Die Anwendung findet keine Grenze, doch an die Herstellung muss ich in jedem Winter denken, wenn wir auf viel frische Orangenernte treffen.


So habe ich mich bereits vor dem Reiseantritt sehr auf die neue Produktion der trockenen Zitrusschalen gefreut. Nun ist die erste Fuhre, ein Tablett voll, bereits fertig. Und solange ich hier bin, werden täglich neue Schalen geschnitten und in der Sonne getrocknet.


Was mache ich mit den Früchten selbst, wenn mein Interesse scheinbar mehr den Schalen gilt? Den Saft presse ich raus. Es gibt keine bessere „süß-saure“ Kombination als dieser Saft aus Zitrone, Orange und Mandarine! Ich würze damit meinen Kartoffelsalat. Gekochte, rotschalige kleine Kartoffeln aus Frankreich, roten Zwiebeln in kleinen Stücken sowie geriebene, frische Knoblauchzehen. Noch etwas gebackene Süßkartoffeln, französisches Meeressalz sowie portugiesisches Olivenöl und viel frisch gepresster Zitrussaft hinzu – dann ist der Kartoffelsalat fertig. Mindestens eine Nacht soll der Kartoffelsalat im Kühlschrank stehen, damit er durchzieht. So hält er auch mehrere Tage. Er bildet meine Salatbasis. Je nachdem, was tagesaktuell als frische Zutaten hinzukommt, erhalte ich einen völlig anderen, frischen Salat. In Frage kämen zum Beispiel frisches Gemüse: Gurke, knackige grüne Paprika, Tomaten; oder Thunfisch von den Azoren, Oliven, Avokado, oder auch Obst wie zum Beispiel Äpfel, Orangen, Mandarine, Melone, Balane. Kurzum, Zucker und Essig werden hier in der Algarve komplett überflüssig!


Heute früh hatte ich das Gefühl, ich muss weg, muss unbedingt etwas Neues sehen, riechen, hören, schmecken. So suchten wir uns als Ziel „Castelo de Silves“ aus, etwa 40 km landeinwärts, im Nordosten von Olhos de Água liegend, aus. Mein Mann und ich haben miteinander ausgemacht, dass wir möglichst auf das Navigationssystem verzichten, um unser Gedächtnis zu trainieren. So wird jede Erfahrung intensiver und wir zwingen uns selbst dazu, uns auf das Hier und Jetzt zu konzentrieren. Die Beobachtung sowie die Wahrnehmung werden detaillierter. Was intensiv wahrgenommen wird, bleibt im Gedächtnis hängen und ist später abrufbar. Mit anderen Worten, wir erlauben uns den Luxus, uns aus dem Zeitalter des digitalen Lebens auszuklinken, um ein analoges Leben zu simulieren, soweit wir uns dies in dem abgegrenzten Zeitraum unter der Sonne erlauben dürfen.


Wir üben dies gerade seit 10 Tagen, und die Ergebnisse überraschen uns. Heute Vormittag sah ich während der Autofahrt nach Silves viele Orangenplantagen, an deren Anblick ich mich sehr erfreut habe. Mit dem Rücken zum Süden, immer weiter entfernt von der heiß geliebten Südküste Portugals wurden die Häuser weniger; wir sahen immer mehr Mandelbäume am Wegesrand und hinter den niedrigen Mauern blühen. Wir Touristen sind mit beteiligt daran, dass Orte wie Portimao oder Quarteira so dicht bebaut sind. Wir haben Sehnsucht nach der Natur, vergessen jedoch, dass wir selbst ein Dach über dem Kopf benötigen, in der Zeit, wo wir Sonnenhungrigen dem Wintergrauen entfliehen. Umso mehr freute ich mich an der grünen Landschaft, unter blauem Himmel, wolkenfrei, bei idealen Temperaturen von etwa 17 Grad Celsius. Wir nehmen extra die N125 sowie die N269, um uns ein Stückchen Langsamkeit zu gönnen. Plötzlich fiel mir ein: Wenn ich so fasziniert von dem gemischten frischen Zitrussaft bin, warum kremiere ich nicht ein neues Gericht namens „Teriyaki Lachs, Edition Algarve“?


Hier im lokalen Supermarkt „Continente“ erhalten wir frische Lachsscheiben, die quer durchgeschnitten sind. Wie froh waren wir, als wir sahen, dass der fette Fischbauch dran geblieben ist. Denn in Japan bezahlt man für „fetty Thuna“ das fünf bis zehn Fache eines mageren Thunfisches. Ich habe den Verdacht, dass der fette Lachsbauch, den ich in Deutschland vermisse, teuer an die Pharmaindustrie verkauft wird. Mein Mann und ich sind jedoch der Meinung, dass die Aufnahme der Nährstoffe durch das natürliche Essen der Königsweg für unseren Körper ist. Geschweige denn, dass das Essen in seiner natürlichen Form viel besser schmeckt!

Nun sitze ich seit mehr als fünf Stunden im Bistro „Art aska loundge caffé“ in Silves. Citylage direkt am Fluss. Wir genießen den fast frühsommerlichen Sonnenschein. Ein kräftiger Schuss frisch gepresster Zitronensaft mit Zitronenscheiben in eiskalten Mineralwasser erfrischt mein Gehirn und ich bin rundum glücklich und zufrieden: Mit der Zuversicht, dass der „Teriyaki Lachs Edition Algarve“ bestimmt etwas Phantastisches wird!


Denn ich bin der festen Überzeugung, dass die Natur der beste Koch auf unserem Planeten ist.


Ich machte mich auf den Weg, suchte nach mir selbst und fand ein neues Leben. Der Weg ist das Ziel. Schon seit der Mensch denken kann. Das Castelo kann warten.


Guten Appetit


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